Wie kann eine sichere Wirtschaftspolitik in unsicheren Zeiten funktionieren? Für Carsten Linnemann ist die Antwort naheliegend. Der promovierte Volkswirt, Bundestagsabgebordnete aus Paderborn und Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU, will, dass sich die führenden politischen Parteien in Deutschland wieder in ihren Inhalten deutlicher voneinander unterscheiden. Dann würden Alternativen sichtbar.
Linnemann riet seinen Politikerkollegen auch dazu, wieder langfristiger zu denken und mehr Themen als bisher konsequenter zu diskutieren. Die starke Fokussierung auf aktuelle Problemlagen wie die Energiewende nach dem Unglück in Fukushima, die Eurokrise oder die Flüchtlingsfrage würden dafür sorgen, dass wichtige und grundsätzliche Themen wie die Chancen der Digitalisierung für unsere Gesellschaft „unter den Tisch fallen“. Linnemann warnte zugleich davor, den in seriösen Umfragen zu beachtenden „Zukunftspessimismus bei gleichzeitig verdammt guten Fundamentaldaten“ auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Politik müsse die Bürger und ihre Sorgen ernst nehmen, andernfalls drohe „ein Reputationsverlust der Eliten – vom Politiker über den Unternehmer bis zum Bischof“.
Zu Gast bei einem Marktführer
Wo sezierte Linnemann die Gründe für die wachsende Besorgnis der mittelständischen Unternehmer und der breiten Masse der Normalverdiener? In Berlin? Nein, er kam dafür auf Vermittlung seiner Bundestagskollegin Dr. Katja Leikert (CDU) nach Klein-Auheim zum „IHK-Gespräch an der Werkbank“ am 3. November zur „europascal GmbH”. Zum zweiten Termin der abendlichen Gesprächsrunde zwischen regionalen Unternehmern und hochrangigen Politikern hatten der Inhaber des Kalibrierspezialisten, Kassem El-Chami, und die IHK in Hanau eingeladen.
Gastgeber El-Chami, studierter Maschinenbau-Ingenieur, hatte vor Linnemanns Anmerkungen sein mittelständisches Unternehmen den 25 Gästen aus der regionalen Wirtschaft präsentiert. Der Messspezialist beschäftigt aktuell 26 feste Mitarbeiter. Das Unternehmen wartet, repariert, kalibriert und vertreibt Messgeräte renommierter Hersteller, es stellt aber auch eigene Kalibriergeräte her. Der im Jahr 2000 gegründete Mittelständler ist mittlerweile weltweit aktiv und nicht nur für die Messgröße Druck von der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) akkreditiert, sondern auch für elektrische Messgrößen. Kalibriert werden unter anderem Druckmessgeräte aller Art – von Sensoren bis zu Kolbenmanometern und von 0 bis 5.000 bar.
Werbung für mehr soziale Marktwirtschaft
Linnemanns Vortrag, aber auch die folgenden Wortbeiträge und Fragen der Gäste, zeigten, wie wichtig es ist, dass die Politik die marktwirtschaftlichen Spielregeln einhält und zugleich das Soziale nicht vernachlässigt. Der MIT-Vorschlag, die jährlichen Steuerüberschüsse des Bundes von zur Zeit 30 Milliarden € zu einem Drittel in die Schuldentilgung zu stecken, mit einem weiteren Drittel die Infrastruktur auszubauen und mit dem dritten Drittel die Arbeitenden und ihre Familien massiv zu entlasten, wurde kontrovers debattiert. Vor allem Linnemanns pragmatische Vorschläge, eine sofortige Verdoppelung der Werbepauschale für Arbeitnehmer und eine Gleichstellung der steuerlichen Freibeträge von Kindern und Erwachsenen auf ein höheres Niveau, sorgten für Nachfragen.
In kürzeren Beiträgen angerissen wurden darüber hinaus die Kosten der Energiepolitik, die Verkehrspolitik sowie die internationale Handelspolitik. Für gut geheißen wurde die neue Flexi-Rente, weil sie den demografischen Wandel abfedert. Einig waren sich die anwesenden Unternehmer mit der Politik, dass grundlegende Reformen zu oft nur „mit dem Rücken an der Wand“ angegangen werden und leider nicht vorausschauend in guten Zeiten, so wie jetzt.
Auch politische Prominenz aus der Region nahm am Treffen teil. Auf dem Bild: Heiko Kasseckert (MdL, CDU), Landratskandidatin Srita Heide (CDU), Gastgeber Kassem El-Chami, die beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Carsten Linnemann und Dr. Katja Leikert (CDU) mit IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde.