Gastbeitrag in der Wetzlarer Neuen Zeitung vom 12. August 2019

Soll sich Deutschland einer Überwachungsmission in der Straße von Hormus anschließen? Nach der Entscheidung Großbritanniens, sich am US-geführten Einsatz zu beteiligen, steht eine geschlossene Reaktion seitens der Europäischen Union nach wie vor aus. Die Provokationen aus Teheran nehmen derweil stetig zu; Washington hatte den Druck auf den Iran zuletzt kontinuierlich erhöht. Das Vorgehen der USA birgt allerdings die Gefahr einer militärischen Eskalation. Deshalb ist es folgerichtig, dass die Bundesregierung eine deutsche Beteiligung an der US-geführten Mission Sentinelabgelehnt hat. Dennoch entbindet diese Entscheidung Deutschland und die EU nicht von der Verantwortung, entschieden auf eine Deeskalation der Situation hinzuwirken.

Betrachten wir die Ausgangslage: Im Streit um das Atomabkommen stehen sich die USA und der Iran unversöhnlich gegenüber. Noch im Jahr 2015 gefeiert als Glanzstück der Diplomatie, hat die Aufkündigung des Joint Comprehensive Plan of Actiondurch die USA die Situation grundlegend verändert. Ziel des Abkommens war und ist es, den Bau einer Atombombe durch den Iran zu verhindern. Der Vertrag setzt dem iranischen Atomprogramm enge Grenzen; im Gegenzug wurden wirtschaftliche Sanktionen aufgehoben. Nach allem, was wir wissen, war diese Strategie erfolgreich. Die EU-Staaten, allen voran Deutschland, Frankreich und (noch) Großbritannien, kämpfen daher für den Erhalt des Abkommens.

Die Straße von Hormus ist für den globalen Handel von zentraler Bedeutung. Ein Drittel des weltweiten Ölexports passiert diesen Seeweg. Wiederholt sind dort Schiffe festgesetzt worden; u.a. der britische Öltanker Stena Impero. Vorausgegangen war die Beschlagnahmung des iranischen Öltankers Grace 1vor Gibraltar durch Großbritannien bei dem Versuch seitens des Iran, trotz bestehender Sanktionen unerlaubterweise Öl nach Syrien zu liefern.

Für Europa stehen ureigenste Interessen auf dem Spiel. Die europäische, insbesondere die deutsche Wirtschaft, ist auf freie Seewege angewiesen. Allein aufgrund der geographischen Nähe hätte ein militärischer Konflikt auch auf Europa Auswirkungen. Zudem müssen wir alles daran setzen, Iran im Atomabkommen zu halten, um die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Darüber hinaus haben wir es mit einem Präzedenzfall zu tun, in dem amerikanische Sanktionen Europas Handel mit einem internationalen Handelspartner unterbinden. Sollte dieses Beispiel Schule machen, würde das nicht nur unsere Glaubwürdigkeit schwächen, sondern könnte – bei gewichtigeren Handelspartnern – auch der Wirtschaft massiven Schaden zufügen.

 Eine gemeinsame Antwort zur Deeskalation der Lage ist dringend geboten. Der erste Schritt hierzu besteht in einer EU-Mission zur Überwachung des Seewegs, an der auch Großbritannien mitwirken könnte. Darüber hinaus muss es das Ziel sein, eine tragfähige Lösung herbeizuführen, die alle Akteure in der Region einbindet. Hier könnte die EU eine Vermittlerrolle einnehmen.

Wir Europäer müssen gemeinsam für unsere Sicherheitsinteressen einstehen. Ein bloßes passives Verharren an der Seitenlinie ist angesichts der ernsten Lage nicht mehr angemessen. Es steht viel auf dem Spiel – Europa muss erwachsen werden.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..