Warum ich für die Einführung einer verbindlichen Frauenquote werbe

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter innerhalb der CDU aktuell so sehr wie die Debatte um die Einführung einer stufenweisen Frauenquote. Besonders in den sozialen Netzwerken wird die Diskussion emotional geführt. Dabei geht es sachlich betrachtet um ein strukturelles Problem in der CDU: Es sind zu wenige Frauen in verantwortlicher Position, und zwar nicht nur auf Landes- oder Bundesebene, sondern auch vor Ort, in der Kommunalpolitik. Es ist gut, dass sich die CDU kritisch hinterfragt und klar bilanziert, dass sich mit Quoren oder Freiwilligkeit zu wenig bewegt. Aus den folgenden Gründen bin ich für die Einführung einer verpflichtenden Frauenquote:

Wenn es um Repräsentanz in öffentlichen Positionen geht, dann ist die Bezugsgröße nicht die Verteilung innerhalb der Mitgliedschaft, sondern in der Bevölkerung. Schauen wir uns die Fakten an: Im Deutschen Bundestag sind nur 31 Prozent aller Abgeordneten, die die deutsche Bevölkerung in ihrer Gesamtheit abbilden sollen, weiblich. Das sind sieben Prozentpunkte weniger als in der vorherigen Legislaturperiode. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion liegt der Anteil mit 21 Prozent noch einmal deutlich niedriger. Es gibt zwei Ministerpräsidentinnen in 16 Bundesländern und im ganzen Land gerade einmal 8 Prozent Oberbürgermeisterinnen. In der Wirtschaft und der Wissenschaft sieht es nicht besser aus. 88,4 Prozent der C4-Professuren werden mit Männern besetzt. Von den 185 Aufsichtsräten der im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX notierten sowie den 25 voll mitbestimmten Unternehmen haben nur sechs eine Frau als Vorsitzende. Von den 199 Vorstandsposten der 30 Dax-Unternehmen sind derzeit 28 von einer Frau besetzt, also 14 Prozent. Möchten wir daran etwas ernsthaft (und schneller) ändern, dann muss Politik mit einem besseren Vorbild dienen.

Ein kluges Diversity-Management  ist Anspruch jeder Personalabteilung in erfolgreichen Unternehmen und sollte es auch bei uns sein. Viele Studien zeigen, dass gemischte Teams dynamischer sind und durch ein breiteres Problembewusstsein auch eine höhere Lösungskompetenz aufweisen. Über die Beschlüsse der Kommission hinausgehend, muss sich die CDU daher auch stärker um Menschen mit Migrationshintergrund bemühen. Es geht um die notwendige Erweiterung der gesellschaftlichen Perspektive und faire Repräsentation. Wer sich hier tiefer einlesen möchte, dem sei die Studie „Women matter“ der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey empfohlen: https://www.mckinsey.com/featured-insights/gender-equality/women-matter-ten-years-of-insights-on-gender-diversity#

Unsachlich sind Kommentare zu Leistungsbereitschaft und Kompetenz. Frauen Professionalität abzusprechen ist empirisch nicht haltbar: Die Erwerbsquote von Frauen im Alter von 25 bis 64 Jahren ist seit 1999 von knapp 66 Prozent auf etwa 79 Prozent im Jahr 2017 deutlich gestiegen. Aktuell liegt sie weniger als zehn Prozentpunkte unter der Erwerbsquote der Männer. Mehr als die Hälfte der Abiturienten, rund 50 Prozent der Hochschulabsolventen und rund 45 Prozent der Promovierenden sind weiblich. Spannend ist hierzu folgende Studie zu lesen: https://www.cambridge.org/core/journals/american-political-science-review/article/gender-quotas-and-womens-political-leadership/0C8CC7B51CC37871A1B1FD925A8AA976.

Wir brauchen mehr Ehrlichkeit. Wir haben längst „inoffizielle“ Quoten, die es innerhalb einer Partei schon immer gibt: Wohnort, Bezirk, Zugehörigkeit zu einer Parteivereinigung wie MIT, CDA, FU oder JU. Hinzu kommen persönliche Netzwerke. Umgekehrt ist auch richtig: Wir brauchen mehr Frauen, die sich aktiv einbringen. Niemand hindert Frauen daran, eigene Netzwerke aufzubauen. Eine Frauenquote eröffnet Möglichkeiten. Nutzen müssen Frauen sie am Ende freilich selbst. Spätestens, wenn ein Amt errungen wurde, werden an alle die gleichen Maßstäbe angelegt. Dann zählen Ergebnisse. Zur Ehrlichkeit gehört auch: Wenn dann die Quote kommt, reicht es nicht aus, Frauen irgendwo auf die hinteren Ränge zu platzieren. Ich werbe ausdrücklich für ein Reißverschlussverfahren.

Quote allein reicht nicht. Wir brauchen eine moderne Arbeitskultur: Die Corona-Krise hat Digitalisierung beschleunigt und innerparteiliche Partizipation durch neue Formate radikal erleichtert. Gerade vielen Müttern (aber auch Vätern) haben sich hier plötzlich völlig neue Möglichkeiten aufgetan. Das macht Parteiarbeit zeitlich effizienter, schneller und damit attraktiver.

Wenn wir in einigen Jahren merken, dass wir die Quote nicht brauchen – umso besser. Nichts ist in Stein gemeißelt, schon gar keine Parteisatzung. Die CDU war und ist zu Recht immer sehr stolz auf ihre innerparteiliche Pluralität. Um eine moderne Volkspartei zu bleiben, müssen wir uns alle bewegen. Übrigens: Schon jetzt ist niemand daran gehindert, Listen paritätisch zu besetzen oder Frauen für aussichtsreiche Mandate zu nominieren.

 

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