Rund ein Monat ist seit der Bundestagswahl vergangen. Das Wahlergebnis war für uns als Union mehr als enttäuschend, da gibt es nichts schönzureden. Was es jetzt braucht, ist eine schonungslose Analyse, warum so viele Wählerinnen und Wähler ihr Kreuz dieses Mal bei anderen Parteien gemacht haben. Aus meiner Sicht ist es allerdings wohlfeil, nun alle Kritik allein bei Armin Laschet abzuladen. Auch wenn wir anerkennen müssen, dass unser Spitzenkandidat dieses Mal kein echtes Zugpferd im Wahlkampf war, so liegen die Gründe für diese historische Wahlniederlage doch tiefer.
Bereits Anfang 2020 steckte die CDU in einer Krise. Die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen, der daraus resultierende Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende, die quälend lange – erneute – Suche nach einem Parteichef und der öffentlich ausgetragene Streit um die Kanzlerkandidatur zwischen Armin Laschet und Markus Söder haben tiefe Gräben gerissen. Der Maskenskandal hat die Partei aus meiner Sicht in ihren Grundfesten erschüttert. Viele haben schlicht das Vertrauen in uns verloren.
Und wir haben unsere Parteibasis nicht ausreichend mitgenommen. Das darf uns nicht noch einmal passieren. Bevor am 2. November das Präsidium und der Bundesvorstand entscheiden, auf welche Art und Weise der oder die nächste Parteivorsitzende gewählt wird, kommen am 30. Oktober alle CDU-Kreisvorsitzenden aus dem Bundesgebiet in Berlin zusammen, um über eine stärkere Mitgliederbeteiligung und das weitere Verfahren zu beraten. Als Vorsitzende der CDU Main-Kinzig werde auch ich an dieser Sitzung teilnehmen. Um vorab ein möglichst umfassendes Meinungsbild aus den Stadt- und Gemeindeverbänden vor Ort einzuholen, habe ich eine Online-Befragung unter unseren Mitgliedern zur inhaltlichen und personellen Neuaufstellung der CDU initiiert. Ich freue mich, dass so viele Mitglieder daran teilgenommen haben und werde dieses Stimmungsbild mit nach Berlin nehmen und dort vorbringen.
Nur mit dem Austausch von Führungsköpfen wird es aber nicht getan sein. Die Wahlanalysen zeigen, dass wir Millionen Wähler vor allen Dingen an die SPD und die Grünen verloren haben – in der jüngeren Generation, aber auch bei der Generation Ü60. Die entscheidende Frage wird also sein, wie wir diese Wählerinnen und Wähler wieder zurückgewinnen können. Angela Merkel hat Deutschland gut regiert, die Arbeitslosigkeit halbiert und unser Land durch eine Reihe von Krisen – angefangen von der Wirtschafts- und Finanzkrise, über die Flüchtlingskrise bis hin zu Corona – geführt. Dennoch hat die CDU es vielleicht ein stückweit verlernt, Zukunftsthemen zu identifizieren und konsequent zu besetzen. Die Oppositionsrolle bietet nun auch die Chance, sich als Partei programmatisch wieder stärker aufzustellen. Dazu gehören neben großen Fragen wie der Wirtschafts- und Finanzpolitik zwingend auch soziale Themen, von der Kinderbetreuung, über bezahlbaren Wohnraum bis hin zur Pflege.