Brauchen wir eine Frauenquote?

Kennen Sie Jennifer Morgan? Als erste Frau wurde sie 2019 zur Co-Chefin des Softwarekonzerns SAP berufen und war damit die erste weibliche Vorstandsvorsitzende bei einem DAX-Konzern überhaupt. Doch auch im Jahr 2023 sieht die Realität in börsennotierten Unternehmen in Deutschland so aus: 86 Prozent aller Vorstandsmitglieder sind Männer, die sich wiederum in Alter, Herkunft und Ausbildung sehr ähnlich sind. Die Allbright-Stiftung, die sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft einsetzt, hat in diesem Zusammenhang den Begriff des „Thomas-Kreislaufs“ geprägt: Erst im Jahr 2019 gab es erstmals mehr Frauen in den Vorständen großer deutscher Unternehmen als Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen. Der typische deutsche CEO umgibt sich offenkundig am liebsten mit Spiegelbildern seiner selbst.

Dieser Tatsachenbefund ist fatal. Der Fachkräftemangel und multiple Krisen stellen die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich vor große Herausforderungen. Der Kampf um die besten Köpfe hat längst begonnen – und dazu gehören unzweifelhaft auch viele hochqualifizierte Frauen. Mehr als 50 Prozent aller Hochschulabsolventen und 45 Prozent aller Promovierenden in Deutschland sind Frauen. Seit 2012 gibt es in Deutschland mehr weibliche Absolventinnen in Betriebswirtschaftslehre als männliche. Und doch lag der Frauenanteil in Vorständen im Herbst 2022 bei gerade einmal bei 14,2 Prozent, während der Anteil von Frauen in Minijobs (rund zwei Drittel) und Teilzeitbeschäftigung (jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit) weiter sehr hoch ist.

Viel zu lange hat Frauenförderung auf dem guten Willen der Entscheider beruht. Bewegt hat sich leider (zu) wenig. Dabei ist längst bekannt, dass gemischte Führungsteams kreativer und effizienter sind. Die alte Bundesregierung hat darauf mit der Einführung einer Frauenquote für Vorstände großer Unternehmen reagiert. Nach der Einführung der Frauenquote für Aufsichtsräte war dies ein weiterer wichtiger Schritt. Die Frauenquote ist für mich darum ein unbequemes, aber notwendiges Hilfsmittel, um qualifizierten Bewerberinnen überhaupt erst die Chance zu eröffnen, sich in Führungspositionen zu bewähren. Durch tradierte Frauenbilder und eine fehlende Betreuungsinfrastruktur wurden und werden gerade Mütter in ihrem beruflichen Aufstieg gebremst. Ich bin sicher: Mehr Frauen in Führungspositionen werden aufgrund ihrer eigenen Biografien auch für eine familienfreundlichere Arbeitskultur sorgen. Davon profitieren am Ende alle.

(Dieser Gastbeitrag ist am 8. März 2023 im Hanauer Anzeiger erschienen)

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