Kolumne in den Gelnhäuser Nachrichten vom 1. Februar 2020

Es beginnt wie ein harmloser Flirt: In sozialen Netzwerken nehmen Männer Kontakt zu jungen Frauen auf. Es werden Komplimente gemacht, später Fotos ausgetauscht, schließlich die Adressen. Es folgt das Kennenlernen, der erste Kuss – und dann die Aufforderung, sich für den Mann zu prostituieren. Denn statt einer romantischen Liebesgeschichte erwartet die Betroffenen der blanke Horror.

Als „Loverboy-Methode“ bezeichnet das Bundeskriminalamt diese Masche; etwa jedes sechste Opfer von Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung wurde im Jahr 2018 laut Statistik auf diese Art und Weise zur Prostitution gezwungen. Und die Dunkelziffer ist hoch, denn die Täter unternehmen alles, um Druck auf die Opfer auszuüben und die Kontrolle über sie zu behalten. Das reicht von der Drohung, eindeutige Fotos oder Videos an Familienangehörige zu schicken, über psychische bis hin zu physischer Gewalt.

Seit die Prostitution unter der damaligen rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder liberalisiert und zu einem Beruf wie jeder andere auch gemacht wurde, boomt der Markt. Statt „Exportweltmeister“ darf sich Deutschland seit einigen Jahren mit dem wenig schmeichelhaften Titel „Bordell Europas“ schmücken.

Das müssen wir schleunigst ändern. Ich bin sehr froh, dass sich im Deutschen Bundestag ein überfraktioneller Arbeitskreis zusammengefunden hat, der an der Einführung des so genannten „Nordischen Modells“ arbeitet. Dieses besteht im Wesentlichen aus drei Säulen: Der Entkriminalisierung der Prostituierten, der Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber sowie der Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte. Wie so oft, waren auch hier die skandinavischen Länder Vorreiter. Bereits 1999 wurde das Nordische Modell in Schweden eingeführt; weitere Länder wie Norwegen und Island, aber auch Frankreich, Kanada, Irland und Israel folgten. In Schweden ist die Zahl der Sexkäufer seitdem um 80 Prozent, die Zahl der Prostituierten um 60 Prozent gesunken. Im Gegensatz zu Deutschland spielt das Thema Menschenhandel hier kaum noch eine Rolle. Mindestens ebenso wichtig ist aber der gesellschaftliche Paradigmenwechsel, der damit einhergegangen ist: Gerade bei den jüngeren Schweden ist die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen mittlerweile verpönt.

Seitdem ich mich intensiver mit der Thematik beschäftige, sind mir immer wieder auch Frauen begegnet, die sich selbst als „Sexarbeiterinnen“ bezeichnen und auf ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verweisen. Doch was ist mit den tausenden jungen Mädchen und Frauen, die schweigen? Weil sie unter unwürdigsten Bedingungen zur Prostitution gezwungen werden oder weil sie unsere Sprache nicht sprechen? Weil sie in unserem Land keine Familie und Freunde haben, an die sie sich im Notfall wenden können? Weil sie schlicht Angst um ihr Leben haben? Zwangsprostitution ist nichts anderes als moderne Sklaverei. Das Nordische Modell zeigt Wege auf, dieser Hölle zu entkommen.

 

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