Kolumne in den Gelnhäuser Nachrichten vom 9. Mai 2020

In der Corona-Krise hält Europa zusammen: Nach intensivem Ringen um den richtigen Weg hat der EU-Gipfel ein Rettungspaket im Umfang von einer halben Billion Euro für Mitgliedstaaten beschlossen, die besonders stark von der Corona-Pandemie betroffen sind. Dabei geht es um Hilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus für die Staaten selbst, um Kredite der Europäischen Investitionsbank für notleidende Unternehmen und um Unterstützung für Kurzarbeitsprogramme, damit Arbeitnehmer nicht entlassen werden müssen.

Hinzu kommt ein Wiederaufbaufonds für die Zeit nach Abebben der Pandemie. Denkbar ist, dass der Fonds aus dem siebenjährigen Haushalt der EU gespeist wird und einen Umfang von einer Billion Euro und mehr haben könnte. Damit wird klar: Die EU ist keine Schönwetterveranstaltung. Und: Deutschland ist solidarisch mit seinen europäischen Partnern.

Das sind wir im Übrigen immer gewesen, auch in den schweren Zeiten der Staatsschuldenkrise – und das lassen wir uns auch von Populisten in Rom, Madrid oder Paris nicht kaputt reden. Die CDU/CSU-Fraktion hat aus ihrer Ablehnung einer Vergemeinschaftung von Schulden nie einen Hehl gemacht. Nur weil wir Euro- oder Corona-Bonds ablehnen, sind wir aber keine schlechten Europäer – ganz im Gegenteil. Wir sind froh, dass mit dem Wiederaufbaufonds ein gangbarer Weg gefunden wurde, der für schnelle und unkomplizierte Hilfe, eindeutige Zuständigkeiten und vertragskonforme Regelungen steht.

Unsere Solidarität zeigt sich auch im alltäglichen, zum Beispiel im gesundheitlichen Bereich. Deutschland hat wiederholt Intensiv-Patienten aus Italien, Frankreich und den Niederlanden aufgenommen, darüber hinaus haben wir medizinische Hilfsgüter nach Italien geschickt und über 100 Beatmungsgeräte nach Großbritannien und Spanien geliefert. Ärzteteams aus Deutschland sind in italienischen und spanischen Krankenhäusern im Einsatz.

Ja, wir streiten in Europa über die richtigen Lösungswege. Das ist auch gut so. Aber was mir persönlich als überzeugte Europäerin sehr viele Sorgen bereitet, ist die zunehmende Polarisierung der Debatte, ja zum Teil auch ein bewusster Missbrauch. Was wir jetzt brauchen, sind pragmatische und zielgerichtete Maßnahmen für ein Europa, das gestärkt aus der Krise herausgeht. Nur ein starkes Europa kann im globalen Wettbewerb neben Akteuren wie China und den USA bestehen.

Deswegen müssen wir jetzt den Grundstein für ein wettbewerbsfähiges Europa legen. Dabei sind drei Punkte für mich zentral. Erstens müssen wir an der nachhaltigen Ausgestaltung der Wirtschaft festhalten. Der Green Deal der Europäischen Kommission ist hierfür eine wichtige Grundlage. Zweitens muss Europa unabhängiger von Drittmärkten werden, das zeigt sich aktuell unter anderem beim Thema Arzneimittelversorgung. Und drittens müssen wir dringend in die Digitalisierung der Wirtschaft und Bildung investieren. Dabei muss auch klar sein: Alte Lösungen für neue Probleme darf es nicht geben.

 

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