Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Katja Leikert im Interview mit der Zeitung „Panorama“ (Albanien). Nachfolgend die deutsche Übersetzung des Artikels.
Die Pandemie hat eine ungewöhnliche diplomatische Situation geschaffen. Premierminister Rama hat die EU dafür kritisiert, dass sie die Balkanländer außer Acht gelassen hat. Mehrmals hat er die EU verantwortlich gemacht, dass unsere Großeltern keinen Impfstoff bekommen. Während das Impfproblem mit Hilfe der Impfstoffe aus der Türkei, China und Russland gelöst wurde. Sind Sie besorgt über den Kurswechsel, sogar die Rhetorik, die Albanien von der EU in Richtung der Ostpolitik entfernt?
Anders als es Premierminister Edi Rama es darstellt, unterstützt die EU die Länder des Westlichen Balkans in der Bekämpfung der Covid19-Pandemie umfassend. So wurden bereits während der sogenannten „ersten Welle“ Soforthilfen für den Gesundheitssektor, z.B. für die Beschaffung von Masken, Beatmungsgeräten und Tests bereitgestellt, sowie ein 3,3 Milliarden Euro Hilfspaket für die Bewältigung der Pandemiefolgen auf dem Westbalkan beschlossen. Zu einem Zeitpunkt, als die EU-Mitgliedsstaaten selbst schwer von der Pandemie getroffen waren und das Zentrum des globalen Pandemiegeschehens waren, hat man den Westbalkan also nicht vergessen. Zwischen Mai und August diesen Jahres wird die EU die sechs Westbalkanstaaten mit 651 000 Impfdosen unterstützen. Darüber hinaus leistet die EU auch über das internationale COVAX-Verteilprogramm Hilfe. Impfen ist der Weg aus der Krise, aber solange nicht genügend Impfstoff verfügbar ist, sind Maßnahmen zur Infektionseindämmung unerlässlich. Hier steht die Regierung von Edi Rama in der Eigenverantwortung. Die albanische Regierung und die Bevölkerung in Albanien sind frei in ihrer Entscheidung, welchen Weg sie gehen. Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchten, dass Albanien genauso wie alle anderen Staaten des Westbalkans Mitglied der Zusammenarbeit in der Europäischen Union werden. Ob und wann das möglich ist, hängt in erster Linie am politischen Willen, die notwendigen Bedingungen dazu zu erfüllen. Hier haben wir in den vergangenen Jahren in Albanien nur geringe Fortschritte beobachtet.
Frau Leikert, Albanien, ist wenige Tage von den Wahlen entfernt. Nach diesen Wahlen wird auch die neue Regierung gebildet. Wie sehen Sie das politische Klima vor den Parlamentswahlen des 25. Aprils?
Es ist wichtig, dass die Wahlen fair und demokratisch ablaufen und dass sich alle betroffenen Akteure ihrer Verantwortung bewusst sind. Das fängt bei der Organisation von Wahlen an und hört bei der Frage nach Koalitionsbildungen auf. Da sind die regierende Partei genauso wie die Opposition gefragt. Auf dem Westbalkan habe ich manchmal den Eindruck, dass politische Macht gleichgesetzt wird mit wirtschaftlicher Macht. Das steht in krassem Kontrast zu unserer Vorstellung über das demokratische Miteinander in der Europäischen Union. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion wünschen uns, dass allen beteiligten politischen Akteuren in Albanien klar ist, dass die Wahl auch eine Richtungsentscheidung für Albanien ist. Setzt man den Weg in die Europäische Union mit noch mehr Anstrengungen fort und schafft eine Perspektive für die Jugend im eigenen Land, oder lässt man das Land weiter in Orientierungslosigkeit.
Der Zwischenbericht von ODIHR-Beobachtern zu den Wahlen in Albanien hat ein angespanntes politisches Klima und Misstrauen gegenüber politischen Parteien untereinander festgestellt. Ist dies ein Signal dafür, dass diese parlamentarischen Wahlen die erforderlichen Standarten nicht erfüllen werden?
Das müssen die Experten von ODIHR feststellen und da muss man den Wahltag und die abschließende Bewertung im Nachgang dazu abwarten. Auch hier sind die Kriterien klar und objektiv.
Sie sind Mitglied des Bundestages, der im letzten Jahr einige Bedingungen formuliert hat, die wesentlich für die Verhandlungen zwischen der EU und Albanien sind. Wenn ODIHR Probleme mit den Wahlen des 25. April meldet, riskiert Albanien dann, von der EU ein Nein für die Verhandlungen zu bekommen?
Ja, selbstverständlich. Es gibt klar definierte Bedingungen, die man für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien festgelegt hat. Einige Prozesse, wie der Fortschritt der Justizreform, hängen nicht nur von der Regierung ab, aber die Untersuchung korrupter Personen, die Bekämpfung des organisierten Verbrechens, die Untersuchung von Wahlverbrechen, die Entkriminalisierung oder strengere Maßnahmen gegen die informelle Wirtschaft und dem ungerechtfertigten Eigentum hochrangiger Beamter sollten auch in der Verantwortung der Regierung liegen. Oftmals werden Reformen von Regierungsvertretern in Albanien oder den anderen Westbalkan-Staaten als etwas externes empfunden. Etwas, dass von außen diktiert wird. Wenn man aber ehrlich ist: die Bürgerinnen und Bürger in Tirana, Durres oder Shkodra wollen doch alle Rechtsstaatlichkeit, einen höheren Lebensstandard, eine bessere Gesundheitsversorgung, ein modernes Bildungssystem und gute Straßen. Das ist nichts, was Brüssel oder Berlin den politischen Partnern in Albanien diktieren. Bei meinem letzten Besuch in Albanien in 2019 war mein Eindruck, dass das im natürlichen Interesse der Menschen dort ist.
Die Hauptbotschafter in Albanien haben die Forderung an die Bürger verstärkt, wählen zu gehen und ihre Stimme nicht zu verkaufen. Haben Sie Berichte von Diplomaten, die tätig in Albanien sind, über Fälle von Einschüchterung von Wählern und Stimmenkauf?
Es ist wichtig, dass die Menschen sich an der Entscheidung über die Entwicklung in ihrem Land beteiligen. Jegliche Form der Einschüchterung, Erpressung oder Manipulation ist nicht akzeptabel. Die ODIHR-Beobachter werden dies auch bei ihrer Bewertung der Wahlen berücksichtigen.
Unterstützen Sie angesichts der Tatsache, dass die DP zusammen mit der CDU Teil der Europäischen Volksparteien sind, die politische Rotation in Albanien und die Rückkehr der DP zur Regierung mit dem Kandidaten Basha als Premierminister?
Als CDU/CSU Bundestagsfraktion mischen wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten Albaniens ein. Wir sind natürlich im engen Austausch mit unserer Partnerpartei der DP und dem Parteivorsitzenden Lulzim Basha. Er tritt an mit einem klaren Reformversprechen und einem pro-europäischen Kompass. Die albanische Regierung von Premierminister Rama hat es verpasst, in den letzten Jahren ein überzeugendes Signal des Aufbruchs und Fortschritts zu setzen. Am 25. April wird die Bevölkerung Albaniens, die bislang nur mit den Füßen abgestimmt hat, Bilanz ziehen.